René Mense – Komponist


 

 

Ecce lignum Crucis (2005)
Choralpassion für Violoncello solo, 7'

Vorwort der im Peer Musikverlag Hamburg erschienen Druckausgabe:

  Die ökumenische Choralpassion Ecce lignum Crucis entstand im Dezember 2005 auf Anregung der Weimarer Cellistin Christina Meißner. Das Werk ist der Künstlerin gewidmet und wurde von ihr am 31. März 2006 im Frankfurter Kaiserdom zum ersten Mal öffentlich dargeboten.

  Die Komposition basiert auf drei Chorälen. Nach einer kurzen, den Klang von Glocken imitierenden Einleitung, erklingt die erste Zeile des gregorianischen Chorals zur Verehrung des Kreuzes: Ecce lignum Crucis aus der Karfreitagsliturgie, den ich dem vatikanischen Graduale Triplex entnommen habe: "Sieh'! Das Holz des Kreuzes, an dem das Heil der Welt hängt." Im Zentrum des Stücks steht dann die Melodie  des Agnus Dei von 1528: "Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd' der Welt, erbarm dich unserer / gib uns deinen Frieden. Amen."

  Ein kurzes Intermezzo verbindet das Agnus Dei mit dem Schlusschoral Es ist genug von 1662, dessen Text die Jenseitshoffnung der damaligen Christen dokumentiert, geprägt von den Erfahrungen des dreißigjährigen Krieges. Der Text der hier wiedergegebenen vierten und letzten Strophe geht auf die Originalfassung von Franz Joachim Burmeister (1633-1672) zurück: " Es ist genug! Herr, wenn es dir gefällt, / So spanne mich doch aus! / Mein Jesus kommt; nun gute Nacht, o Welt, / ich fahr ins Himmelshaus; / ich fahre sicher hin in Freiden, / mein großer Jammer bleibt darnieden. / Es ist genug."

  Allen drei Chorälen ist die Finalis (Schlusston), hier F, gemeinsam. Im Zitat des Ecce lignum Crucis werden nach dem unaufgelösten Halt auf dem Ton G, also einen Ganzton über der Finalis, anstelle des normalerweise folgenden Antwortgesangs mit der Kadenz auf F einzelne Töne des Chorals motivisch und tonal verarbeitet. Die Originalmelodie des Agnus Dei endet dagegen interessanterweise schon von sich aus auf dem Ton G, der in der hier verwendetetn Fassung der Wittenberger Kirchenordnung von 1533 außerdem durch Erhöhung des F zu Fis als letzter Ton bestätigt wird - die eigentliche Finalis verschwindet also ganz.

  Das anschließende Zwischenspiel bekräftigt die Repercussa (Halteton) A des Ecce lignum Crucis, bevor schließlich Es ist genug mit den Tönen F-G-G-A in der Originalgestalt des Mühlhausener Kantoren Johann Rudolf Ahle (1625 - 1673) einsetzt und bei der Wiederholung der von Bach gebotetenen Form mit den Sekundschritten F-G-A-H folgt. Hier wird der Halbton A-B überschritten und es entsteht zwischen F und H ein übermäßiges Intervall aus drei Ganztönen, der Tritonus, der in der frühen Musik als "Diabolus in Musica" galt und in der vorliegenden Komposition besonders auch in der Harmonisierung der Kadenz dieses Chorals seinen Widerhall findet.

Notenbeispiel (PDF)

ungekürzter Mitschnitt der Uraufführung (MP3) 7,4 MB

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