René Mense – Komponist


 

 

De Visione Dei (2010)
Drei Gebete nach Nikolaus von Kues
für Altus, Tenor und Bariton, 4'25"

I
Tutti: Domine Deus, video te in horto paradisi et nescio quid video, quia nihil visibilium video. Et nescio te nominare, quia nescio, quid sis.

Altus: Omnis enim conceptus terminatur in muro paradisi.
Tenor: O vis infinita! Concipere tuum est loqui.
Bassus: Terminius enim omnis modi significandi nominum est murus ultra quem te video.

II
Altus: Unde dum altissime elevor infinitatem te video, ob hoc es inaccessibilis, incomprehensibilis, innominabilis, imultiplicabilis et invisibilis. Et ideo oportet ad te accendentem super omnem terminum et finem et finitum ascendere. Tu, Deus meus, es ipsa infinitas absoluta, quam video esse finem infinitum. Es igitur finis infinitus, quia tui ipsius finis, quia finis tuus est essentia tua, essentia finis non terminatur seu finitur in alio a fine, sed in se.

Tenor: Sicuti dum oculos noster lucem solis quaerit videre primo ipsam velate inspicit in stellis et coloribus et omnibus lucem eius participantibus. Quando autem revelate intueri ipsam contendit omnem visibilem lucem transilit. Sed quia quaerit videre lucem, quam videre non potest, hoc scit, quod quamdiu aliquid videt non esse id, quod quaerit, oportet igitur omnem visibilem lucem transilire.

Bassus: Et ita est oculo tenebra.

III
Tutti: O pie Deus, respice in me. Domine, videre tuum est amare. Pasce me visu tuo, Domine.

Altus: In tantum enim sum, in quantum mecum es.
Tenor: Et cum videre tuum sit esse tuum, ideo ego sum, quia tu me respicis.
Bassus: Visus tuus, cum sit oculos seu speculum vivum, in se omnia videt.
Tutti: Amen.

Texte aus "De Visione Dei" (1453)

I
Herr und Gott, ich schaue Dich im Garten des Paradieses und ich weiß nicht, was ich sehe, denn ich sehe nichts Sichtbares.

Ich weiß nicht, wie ich Dich benennen soll, weil ich nicht weiß, wer Du bist.
Jeder Begriff findet seine Grenze an der Mauer des Paradieses.
O unendliche Kraft! Dein Entwerfen ist Reden.

Die Grenze für jede Weise der Namensgebung ist die Mauer, jenseits welcher ich Dich schaue.

II
Erhebe ich mich ganz hoch, so sehe ich Dich als die Unendlichkeit. Als diese bist Du unerreichbar, unerfassbar, unnennbar,

unvermehrbar und unsichtbar. Darum muss der, welcher sich Dir nähert, sich über jede Grenze, jedes Ende und Endliche erheben.

Du mein Gott, bist die absolute Unendlichkeit, die ich als das unendliche Ende sehe. Du bist das unendliche Ende, weil Du das Ende Deiner selbst bist, weil Dein Ende Deine Wesenheit ist; und die Wesenheit des Endes wird nicht in einem dem Ende gegenüber Anderen begrenzt oder beendet, sondern in sich selbst.

Wenn unser Auge das Licht der Sonne zu sehen sucht, so erblickt es dies zuerst verhüllt in den Sternen, den Farben und allen Lichtern, die an ihm teilhaben. Strebt es aber danach, es selbst unverhüllt zu schauen, dann überschreitet es alles sichtbare Licht.

Weil es aber das Licht sehen will, das es nicht sehen kann, weiß es, dass, solange es irgendetwas sieht, dies nicht das ist, was es sucht und dass es eben deshalb alles sichtbare Licht überschreiten muss.

Und das bedeutet Finsternis dem Auge.

III
O gütiger Gott, blicke auf mich. Herr, Dein Sehen ist Lieben. Nähre mich mit Deinem Blick, Herr.

Soweit Du mit mir bist, soweit bin ich.

Und da Dein Sehen Dein Sein ist, bin ich also, weil Du mich anblickst.

Dein Sehen, das Dein Auge oder ein lebendiger Spiegel ist, sieht in sich alles. Amen.

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